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05.09.2025

Neue Wege für die ambulante Versorgung: Warum Primärversorgungszentren jetzt nötig sind

Die ambulante Gesundheitsversorgung in Deutschland steht unter massivem Druck. In vielen Regionen fehlen bereits heute Hausärztinnen und Hausärzte, in fast einem Viertel der Landkreise gilt die Versorgungslage als gefährdet, in weiteren Teilen sogar als stark gefährdet. Besonders problematisch ist, dass junge Mediziner:innen zunehmend davor zurückschrecken, klassische Praxen zu übernehmen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Erwartungen an die Arbeitswelt haben sich verändert. Statt in alleiniger Verantwortung eine Praxis zu führen, bevorzugen viele eine Tätigkeit in multiprofessionellen Teams mit klaren Strukturen, geregelten Arbeitszeiten und besseren Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Angesichts dieser Entwicklungen fordern drei Fachverbände – der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, der Verein demokratischer Ärzt*innen und der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten – eine grundlegende Reform der ambulanten Versorgung. In einem gemeinsamen Positionspapier plädieren sie für die gesetzliche Einführung von Primärversorgungszentren als neue Versorgungsform. Diese Zentren sollen nicht nur eine Reaktion auf die wachsenden Lücken im hausärztlichen Bereich sein, sondern einen echten Neustart ermöglichen: weg von kleinteiligen Praxisstrukturen, hin zu integrierten, teamorientierten Modellen.

Im Mittelpunkt dieses Konzepts steht die Zusammenarbeit verschiedener Gesundheitsberufe unter einem Dach. In solchen Zentren arbeiten Ärzt:innen, Pflegefachpersonen, insbesondere akademisch ausgebildete Community Health Nurses, sowie Apotheker:innen und weitere Berufsgruppen eng zusammen. Ihre Aufgaben sind klar verteilt und orientieren sich an den Kompetenzen der jeweiligen Professionen. Das ermöglicht eine abgestimmte, koordinierte Versorgung, die sich stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen der Patient:innen orientiert. Prävention, Gesundheitsförderung, die Versorgung chronisch Erkrankter und das Medikationsmanagement können so effizienter und wirksamer gestaltet werden.

Besonders betont wird dabei die Rolle von Pflegefachpersonen mit erweiterten Kompetenzen. Community Health Nurses sollen beispielsweise in der Lage sein, eigenständig Bedarfe zu erheben, präventive Maßnahmen durchzuführen, Patient:innen in ihrer Gesundheitskompetenz zu stärken und konkrete Versorgungsangebote zu koordinieren. Auch Apotheker:innen sollen als feste Mitglieder der Versorgungsteams eingebunden werden, um ihre Expertise in der Arzneimitteltherapie systematisch nutzbar zu machen. Erste Erfahrungen aus dem stationären Bereich, etwa durch die Tätigkeit von Stationsapotheker:innen, zeigen bereits, welches Potenzial darin liegt.

Die Verbände sehen in dieser multiprofessionellen Zusammenarbeit nicht nur eine Möglichkeit, die Qualität der Versorgung zu verbessern, sondern auch eine dringend notwendige Antwort auf die strukturellen Herausforderungen im Gesundheitssystem. Klassische Praxisformen stoßen zunehmend an ihre Grenzen, weil sie weder den Anforderungen junger Fachkräfte noch den komplexen gesundheitlichen Bedürfnissen einer älter werdenden Bevölkerung gerecht werden. Nur durch eine gesetzlich verankerte und finanziell unterstützte Neuausrichtung – inklusive eines einheitlichen Vergütungssystems, das für alle Patient:innen gilt, unabhängig vom Versicherungsstatus – kann langfristig sichergestellt werden, dass die ambulante Versorgung nicht weiter ausdünnt.

Ohne eine solche Reform droht eine zunehmende Unterversorgung mit gravierenden Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung. Primärversorgungszentren bieten hingegen die Chance auf ein modernes, gerechtes und zukunftsfähiges Gesundheitssystem, in dem alle Beteiligten – von den Patient:innen bis zu den Fachkräften – profitieren. Der Vorschlag der drei Verbände versteht sich deshalb nicht als bloße Reaktion auf eine Krise, sondern als visionärer Schritt hin zu einer Versorgung, die den Herausforderungen der Gegenwart gewachsen ist.

Thema: Informationen Gesundheit | 05.09.2025 |

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