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08.09.2025

Sozialstaatsreform braucht Barrierefreiheit – sonst bleibt sie ein leeres Versprechen

Während in Berlin die Kommission zur Reform des Sozialstaats offiziell ihre Arbeit aufnimmt, macht sich bei vielen Menschen mit Behinderungen Frust breit. Denn während über die Modernisierung und Effizienz staatlicher Leistungen diskutiert wird, bleibt ein zentrales Versprechen auf der Strecke: die längst überfällige Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes. Für rund 13 Millionen Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen ist dieser Stillstand mehr als nur politisches Versäumnis – er ist Ausdruck struktureller Ausgrenzung.

Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales wurde heute der Startschuss für die neue Reformkommission gegeben. Staatssekretär Dr. Michael Schäfer betonte in seinem Grußwort die hohe Bedeutung eines bürgernahen und leistungsfähigen Sozialstaats. Doch diese Worte wirken hohl, solange gleichzeitig zentrale Projekte zur Inklusion nicht vorankommen. Auf der Website des Ministeriums war noch im Frühjahr angekündigt worden, die Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes im Sommer ins Kabinett einzubringen. Doch bislang ist nichts geschehen – der Entwurf liegt auf Eis. Verantwortlich dafür ist offenbar die anhaltende Blockade durch das Bundesinnenministerium und das Bundeswirtschaftsministerium. Für die BAG SELBSTHILFE ist diese Verzögerung nicht nur unverständlich, sondern politisch fatal. Denn Barrierefreiheit ist keine Randnotiz in der Sozialpolitik – sie ist Grundbedingung für echte Teilhabe und ein menschenwürdiges Leben.

Die Organisation fordert deshalb mit Nachdruck, dass die Bundesregierung ihr eigenes Versprechen einlöst. Wer glaubwürdig von einer zukunftsfähigen Sozialstaatsreform sprechen will, darf Barrierefreiheit nicht weiter vertagen. Gerade das Bundesarbeitsministerium steht in der Pflicht, sich entschlossen für die Umsetzung der BGG-Reform einzusetzen und dabei auch die Koalitionspartner nicht aus der Verantwortung zu entlassen. Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, appelliert in aller Deutlichkeit an die politisch Verantwortlichen: Wenn Barrierefreiheit erneut vertagt wird, verliert die gesamte Sozialstaatsdebatte an Glaubwürdigkeit. Das nächste Treffen der Regierungsspitzen müsse genutzt werden, um die Blockade zu durchbrechen und den Weg für eine schnelle Verabschiedung freizumachen.

Die Realität zeigt Tag für Tag, wie weit die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen noch hinter den politischen Versprechen zurückbleibt. Ob beim Einkauf, beim Arztbesuch oder im Freizeitbereich – fehlende Barrierefreiheit wirkt ausgrenzend, nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien. Dabei ist längst klar, dass barrierefreie Zugänge und Strukturen nicht nur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zugutekommen. Auch ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen oder Menschen mit temporären Einschränkungen profitieren davon. Eine inklusive Gesellschaft ist eine lebenswertere Gesellschaft für alle.

Was es jetzt braucht, sind keine neuen Absichtserklärungen, sondern konkretes politisches Handeln. Die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes muss nicht nur zügig im Kabinett behandelt, sondern auch inhaltlich ambitioniert ausgestaltet werden. Nur wenn private Anbieter endlich rechtlich verbindlich zur Barrierefreiheit verpflichtet werden, wenn effektive Klagemöglichkeiten bestehen und Verstöße zu spürbaren Konsequenzen führen, kann sichergestellt werden, dass Barrieren nicht weiter hingenommen, sondern systematisch abgebaut werden. Alles andere wäre eine Fortsetzung der Ignoranz – und ein Armutszeugnis für einen Sozialstaat, der den Anspruch erhebt, niemanden zurückzulassen.

Thema: Informationen | 08.09.2025 |

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