Arbeitsassistenz nach Renteneintritt: Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen
Im November 2023 hat das Verwaltungsgericht (VG) Bremen in einem bemerkenswerten Beschluss festgestellt, dass auch nach dem Erreichen des Rentenalters ein Anspruch auf notwendige Arbeitsassistenz für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bestehen kann.
Der Fall betraf eine selbständige Körper- und Atemtherapeutin, die mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 (Merkzeichen BL und H) als schwerbehindert eingestuft ist. Sie erhielt Leistungen der Arbeitsassistenz gemäß § 185 Abs. 5 SGB IX.
Trotz des Eintritts ins Rentenalter beantragte sie die Weiterbewilligung dieser Leistungen. Sie argumentierte, dass sie ihre selbständige Tätigkeit weiterhin ausüben müsse, da ihre Einkünfte aus Altersrente und Renten aus Lebensversicherungen unterhalb ihres monatlichen Grundbedarfs lägen. Ohne diese Einkünfte wäre sie auf Sozialhilfe angewiesen. Darüber hinaus stellte sie klar, dass ihre Arbeit für sie eine wichtige Form der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben darstellt.
Ihr Antrag wurde vom Integrationsamt abgelehnt. Doch das Verwaltungsgericht entschied zugunsten der Klägerin. Es stellte fest, dass sie einen Anspruch auf Leistungen für eine notwendige Arbeitsassistenz hat. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob sie bereits die Regelaltersgrenze für Rentenleistungen überschritten hat und ob ihre Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist.
Das Gericht betonte, dass es der Klägerin obliegt, zu entscheiden, ob sie ihre selbständige Tätigkeit vollständig oder teilweise weiterführen möchte. Wie jeder Arbeitnehmer hat auch sie das Recht, nach Erreichen der Regelaltersrente stufenweise aus der Erwerbstätigkeit auszusteigen.
Die Vorstellung, dass die Tätigkeit eine ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage sicherstellen müsse, wurde vom Gericht als überholt bezeichnet. Es betonte, dass das Recht auf größtmögliche und selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben auch die Gestaltungsmöglichkeiten am Ende einer Erwerbsbiografie umfasst. Um eine sozialrechtliche Hilfsbedürftigkeit zu vermeiden, sei es für die Klägerin notwendig, weiterhin selbständig tätig zu sein. Es sei auch irrelevant, ob sie mit ihrer Tätigkeit den gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet.
Das VG Bremen verwies in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Januar 2022 (5 C 6.20), das zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen war.
Quelle:www.nw3.de
Thema: Informationen | 19.07.2024 |