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24.08.2024

Bundesgesundheitsminister präsentiert Entwurf für „Gesundes-Herz-Gesetz“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen neuen Gesetzesentwurf vorgestellt, der auf die im europäischen Vergleich hohe kardiovaskuläre Mortalität und die niedrige Effektivität des deutschen Gesundheitssystems hinweist. Das geplante „Gesundes-Herz-Gesetz“ enthält mehrere wesentliche Maßnahmen. Dazu gehört die Einführung eines systematischen Screenings auf familiäre Hypercholesterinämie bei Kindern und Jugendlichen. Zudem sollen die Krankenkassen alle anspruchsberechtigten Jugendlichen zur Jugenduntersuchung J1 einladen. Auch Erwachsene im Alter von 25, 35 und 50 Jahren sollen zu regelmäßigen Checkup-Untersuchungen eingeladen werden.

Das Gesundheitsministerium wird ermächtigt, zusätzliche Untersuchungen ohne Einschaltung der Selbstverwaltung und ohne Evidenznachweis einzuführen. Weiterhin sollen Gutscheine für die Messung von Risikofaktoren wie Blutdruck und Glukose sowie Risiko-Beratungen in Apotheken eingeführt werden. Krankenkassen sollen verpflichtet werden, Disease-Management-Programme (DMPs) anzubieten, ohne dass diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung zugelassen werden müssen. Die Schwellen für die Verordnung von Statinen sollen gesenkt werden, um mehr Menschen eine Behandlung zu ermöglichen. DMPs sollen auch für Patienten mit Risiko für Diabetes und/oder koronare Herzkrankheit (KHK) geöffnet werden. Der von der European Society of Cardiology (ESC) entwickelte SCORE2-Risikorechner soll zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos ab 40 Jahren genutzt werden. Hochpotente Statine wie Atorvastatin und Rosuvastatin sollen bevorzugt eingesetzt werden.

Der Entwurf hat eine Welle des Protests ausgelöst. Jürgen Windeler, ehemaliger Chef des IQWIG, kritisierte, dass das Gesetz das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Evidenzorientierung des Sozialgesetzbuches untergrabe. Das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin sieht im Entwurf einen Affront gegenüber der evidenzbasierten Gesundheitsversorgung. Die Bundesärztekammer befürchtet, dass die Ausgabe von Präventionsgutscheinen und Beratungsgespräche in Apotheken zu bürokratischen Hemmnissen führen könnten. Die drei unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses äußerten Bedenken, dass das Gesetz das Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuches aushöhle und nicht evidenzbasierte Vorschläge enthalte.

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die fehlende Evidenz für den Nutzen eines systematischen Screenings aller Kinder und Jugendlichen auf familiäre Hypercholesterinämie. Mögliche Schäden durch Blutabnahmen bei Kindern ohne vernünftigen Grund könnten psychische Folgen haben und das Recht auf Nicht-Wissen verletzen. Die Ausweitung von Gesundheitsuntersuchungen sei nicht effizient. Die Senkung der Statin-Schwellen könnte zu massenhafter Medikalisierung und höheren Kosten führen. Die Umsetzung des Gesetzes könnte zudem zu einer Überlastung der Hausarztpraxen führen.

Das „Gesunde-Herz-Gesetz“ könnte die zukünftige Gesundheitsversorgung durch zweifelhafte Datengrundlagen, nicht evidenzbasierte Screenings und Medikalisierung, ungeeignete Beratungsinstrumente, fehlerhafte Kostenkalkulationen und Vernachlässigung der hausärztlichen Arbeitszeit bedrohen. Zudem umgeht es die Strukturen der Selbstverwaltung und die Regeln des Sozialgesetzbuches zur Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit.

Quelle: E-Mail Newsletter Mmk-benefits

Thema: Informationen Gesundheit | 24.08.2024 |

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