Bundesteilhabegesetz: Anspruch und Wirklichkeit – Zeit für konsequente Umsetzung
Die Veröffentlichung der Evaluationsergebnisse zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat wichtige Erkenntnisse geliefert: Trotz der gesetzlich verankerten Rechte bleibt die tatsächliche Umsetzung in vielen Bereichen unzureichend. Die Diakonie Deutschland und der Evangelische Bundesfachverband für Teilhabe (BeB) sehen dringenden Handlungsbedarf und appellieren an die kommende Bundesregierung, die Umsetzung der bestehenden Regelungen mit den Bundesländern zu beschleunigen.
Die Untersuchung zeigt, dass Teilhabeleistungen trotz klarer gesetzlicher Vorgaben nicht überall gewährt werden. Es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, was dazu führt, dass Menschen mit Behinderung nicht flächendeckend auf die ihnen zustehenden Leistungen vertrauen können.
Die Analyse des BTHG offenbart mehrere kritische Punkte. So ist das Wunsch- und Wahlrecht, insbesondere bei der Wohnform, oft nicht gegeben. Gewünschte Leistungen dürfen häufig nicht mehr kosten als alternative Angebote, was zu Interessenkonflikten führt und die Selbstbestimmung der Betroffenen einschränkt. Auch die neue, ICF-basierte Methode zur Feststellung des individuellen Bedarfs wird in den Bundesländern uneinheitlich angewendet und führt oft nicht zu den entsprechenden Leistungen. Dies gilt besonders für Menschen, die in besonderen Wohnformen, den früheren stationären Einrichtungen, leben. Überraschenderweise zeigt die Evaluation, dass das BTHG bislang keinen signifikanten Einfluss auf steigende Kosten in der Eingliederungshilfe hat. Dennoch bleibt die Differenz zwischen dem sozialpolitischen Ziel des BTHG und der tatsächlichen Lebensrealität von Menschen mit Behinderung groß. Leistungserbringer und -träger müssen diese Lücke dringend schließen, damit das Gesetz seinen Zweck erfüllen kann.
Elke Ronneberger, Bundesvorständin Sozialpolitik der Diakonie, betont, dass das BTHG die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung sei. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen dürfe man nicht nachlassen, echte Teilhabe zu ermöglichen. Auch Dr. Christian Geyer, stellvertretender Vorsitzender des BeB, sieht Handlungsbedarf. Er stellt fest, dass es nicht um Bürokratie oder Kostenkontrolle gehen dürfe, sondern um gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Die Politik müsse nachsteuern, um die Teilhabe in den Mittelpunkt zu rücken.
Die wissenschaftliche Untersuchung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) verdeutlicht, dass die Gewährung individueller Leistungen oft aus Kostengründen eingeschränkt wird. Doch soziale Teilhabe darf nicht unter finanzielle Vorbehalte gestellt werden – es braucht klare und faire Regelungen für alle Betroffenen. Die kommenden politischen Entscheidungen sind entscheidend, denn die Zeit des Zögerns muss vorbei sein. Das Bundesteilhabegesetz muss endlich in seiner ganzen Tragweite umgesetzt werden.
Thema: Informationen | 10.06.2025 |