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13.06.2025

Fürsorgearbeit ins Zentrum rücken: Warum Care-Arbeit politische Anerkennung braucht

In einem Interview mit der taz sprechen Jo Lücke und Franzi Helms über die fehlende Anerkennung unbezahlter Sorgearbeit und ihre Forderungen nach politischen Veränderungen. Sorgearbeit ist ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft, doch oft bleibt sie unsichtbar und wird kaum wertgeschätzt. Lücke und Helms setzen sich dafür ein, dass unbezahlte Care-Arbeit endlich als essenzielle Leistung anerkannt wird. In einer idealen Welt sollte niemand aufgrund von Sorgearbeit wirtschaftliche Nachteile erfahren oder Angst vor Armut haben müssen. Faire Löhne für Pflegekräfte und Erzieher:innen, bessere Arbeitsbedingungen und ausreichend Zeit für zwischenmenschliche Fürsorge könnten zu einer gerechteren Gesellschaft führen.

Ein entscheidender Schritt dahin wäre eine Grundgesetzänderung: Lücke und Helms fordern, dass familiäre Fürsorgeverantwortung als Diskriminierungsmerkmal in Artikel 3 Absatz 3 aufgenommen wird. Das hätte nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern würde auch konkrete Verbesserungen in Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht mit sich bringen. Zudem fehlt eine starke politische Vertretung für unbezahlte Sorgearbeitende. Viele sind durch ihre Doppelbelastung aus Erwerbsarbeit und familiärer Verantwortung so ausgelastet, dass ihnen kaum Raum für politische Teilhabe bleibt. Eine Gewerkschaft für Care-Arbeit könnte helfen, diese Menschen zu organisieren und ihre Forderungen sichtbarer zu machen.

Die heutige Arbeitskultur setzt Menschen unter enormen Druck, während die Care-Arbeit meist selbstverständlich vorausgesetzt wird. Statt längerer Arbeitszeiten, wie sie Friedrich Merz fordert, plädieren Lücke und Helms für eine Vier-Tage-Woche oder eine 30-Stunden-Woche. Denn Produktivität hängt nicht nur von der Anzahl der Arbeitsstunden ab, sondern auch von stabilen Fürsorgestrukturen und sozialer Absicherung. Gerade Frauen, die bereits den Großteil unbezahlter Sorgearbeit leisten, stehen unter zunehmendem Erwerbsdruck – eine Entwicklung, die das soziale Ungleichgewicht weiter verschärft.

Um Veränderungen anzustoßen, planen die Aktivistinnen politische Streikformen, bei denen nicht die Care-Arbeit, sondern die Lohnarbeit bestreikt wird. Zudem prüfen sie rechtliche Schritte, etwa eine mögliche Verfassungsbeschwerde gegen die strukturelle Benachteiligung von Sorgearbeitenden. Ein Blick auf den internationalen Vergleich zeigt, dass bislang kein Land familiäre Fürsorgearbeit in seiner Verfassung schützt. Doch genau das ist aus ihrer Sicht notwendig, um echte Gleichberechtigung zu erreichen.

Lücke und Helms stellen Fragen, die lange unbeachtet blieben: Wie kann Sorgearbeit als gesellschaftliche Leistung anerkannt werden? Welche politischen Maßnahmen sind erforderlich, um faire Rahmenbedingungen zu schaffen? Ihr Einsatz zeigt, dass Care-Arbeit endlich in den Mittelpunkt der politischen Debatte rücken muss – nicht als private Angelegenheit, sondern als fundamentaler Bestandteil unseres Zusammenlebens.

Thema: Informationen | 13.06.2025 |

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