Generationenkapital: Ein neuer Ansatz in der deutschen Rentenpolitik
Im Rahmen des Rentenpakets II wird in der deutschen Politik derzeit die Einführung eines sogenannten Generationenkapitals diskutiert. Dieses Konzept sieht vor, einen Kapitalstock zu schaffen, der durch Kredite finanziert wird und dessen Erträge der Rentenversicherung zugutekommen sollen. Doch was genau steckt hinter dieser Reform, die von der Regierung als „Einstieg in die Kapitaldeckung für die gesetzliche Rentenversicherung“ bezeichnet wird? Handelt es sich tatsächlich um eine kapitalgedeckte Altersvorsorge oder nicht? Und wie ist dieser Plan zu bewerten?
Generationenkapital und Kapitaldeckungsverfahren
Es gibt grundsätzlich zwei Methoden, ein Alterssicherungssystem zu finanzieren: das Umlageverfahren und das Kapitaldeckungsverfahren. Während beim Umlageverfahren die Ausgaben direkt aus den laufenden Einnahmen bestritten werden, basiert das Kapitaldeckungsverfahren auf dem Aufbau eines Kapitalstocks. Auf individueller Ebene bedeutet dies, dass man mit eigenen Beiträgen und den daraus erzielten Renditen ein Vermögen aufbaut, das im Rentenalter zur Auszahlung kommt.
Ein Kapitalstock kann jedoch auch kollektiv aufgebaut und verwaltet werden, ohne dass individuelle Ansprüche damit verbunden sind. In diesem Fall vermischen sich die Ansparphasen der beitragszahlenden Generationen und die Auszahlungsphasen der Rentnergenerationen. Das Generationenkapital folgt diesen Logiken nur teilweise.
Funktionsweise des Generationenkapitals
Die Regierung plant, für die Stiftung Generationenkapital Schulden aufzunehmen und dieses Geld als Darlehen an das Generationenkapital weiterzugeben. Zusätzlich können Vermögenswerte und weitere Mittel vom Bund an das Generationenkapital übertragen werden. Dieses Geld soll dann renditeorientiert und global diversifiziert an den Kapitalmärkten angelegt werden. Die Gewinne aus diesen Anlagen sollen zur Finanzierung der Zinsen für das Darlehen verwendet werden, und Erträge, die darüber hinausgehen, sollen an die Rentenversicherung fließen, um den Beitragssatz zu senken.
Analyse und Bewertung
Das Generationenkapital zielt darauf ab, Renditen auf den Finanzmärkten zu erwirtschaften, ohne jedoch ein Vermögen aufzubauen, dessen Wert in Relation zu späteren Rentenausgaben steht. Es handelt sich um einen durch Staatschulden finanzierten Fonds, der durch seine Erträge als Finanzierungsquelle dient, um die Beitragszahler und den Staatshaushalt bei steigenden Kosten für die Alterssicherung zu entlasten.
Einige der gegen die Kapitaldeckung vorgebrachten Einwände treffen auf das Generationenkapital nicht zu. So spielt beispielsweise die Verlagerung der Risiken von der Kollektivgemeinschaft auf die Individuen keine Rolle, da die Gewinne des öffentlichen Fonds in die Rentenversicherung fließen sollen. Auch wird nicht explizit argumentiert, dass das Generationenkapital den zukünftigen ökonomischen Output erhöht. Dennoch wird angenommen, dass die Verringerung des Beitragssatzes die Arbeitsnachfrage entlastet und durch Finanzinvestitionen ins Ausland das Volkseinkommen gesteigert werden kann.
Mythen und Realität
Einige Mythen über die Vorzüge des Kapitaldeckungsverfahrens haben auch bei der Konstruktion des Generationenkapitals eine Rolle gespielt. Dazu gehören Annahmen wie:
- Das Generationenkapital reduziert die Ausgaben für die öffentliche Alterssicherung in der Zukunft.
- Kapitalgedeckte Systeme wie das Generationenkapital haben bessere Anreizeffekte auf dem Arbeitsmarkt und stärken den Standort Deutschland.
- Die Kapitaldeckung profitiert von den hohen Aktienmarktrenditen.
Der Hauptzweck des Generationenkapitals ist die Verringerung der künftigen Beitragssätze zur Rentenversicherung und des Bundeszuschusses. Sollte der Plan aufgehen und die Netto-Differenz aus Schuldzinsen und Aktiendividenden sowie Gewinnen aus anderen Finanzanlagen positiv ausfallen, könnten die Ausgaben für den Bundeshaushalt und die Beitragszahler tatsächlich sinken. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, könnte der Bundeshaushalt doppelt belastet werden, wie das Beispiel Schweden zeigt.
Wer trägt die Kosten?
Ein Aspekt, der oft nicht explizit erklärt wird, ist die Frage, wer das Geld erwirtschaftet, das notwendig ist, um die Zinsen auf die Anleihen zu zahlen und einen Überschuss an die Rentenversicherung auszuschütten. Diese Gewinne stammen aus Finanzanlagen, die durch den Finanzmarkt lediglich verteilt werden. Dividenden auf Unternehmensebene, Zinsen auf Staatsanleihen anderer Länder, Mieten von privaten Haushalten und Renditen aus Fonds werden national und international gezahlt. Finanzmarkttitel stellen ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis dar, und die Gewinne aus diesen Titeln beruhen auf der Wertschöpfung durch Arbeitnehmerinnen. Das Generationenkapital sorgt somit für eine breitere Einnahmebasis und reduziert scheinbar die öffentlichen Aufwendungen und notwendigen Beitragseinnahmen. Allerdings steigen die Aufwendungen in anderen Wirtschaftssektoren, was letztlich ein Nullsummenspiel darstellt. Das notwendige Geld muss vorher erarbeitet und verteilt werden. Somit ist festzuhalten: Eine Entlastung des deutschen Staatshaushalts und der Beitragszahlerinnen ist durch das Generationenkapital möglich, aber die Finanzierung der Alterssicherung wird lediglich verlagert – auf Mieter, Beschäftigte und Steuerzahler*innen im In- und Ausland.
Arbeitskosten als Faktor
In der deutschen Debatte wird ein abgebremster Beitragssatzanstieg begrüßt, da Arbeitgeber eine Verteuerung des Faktors Arbeit befürchten. Höhere Arbeitskosten könnten die Arbeitsanreize senken, da die Abzüge vom Lohn als zu hoch empfunden werden könnten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, hängt von vielen Faktoren ab, wie dem erwarteten Gegenwert, Lohnzuwächsen und der steuerlichen Behandlung der Sozialversicherungsbeiträge. Arbeitgeber könnten die steigenden Lohnkosten auf die Beschäftigten oder die Käufer*innen der Produkte überwälzen, durch gesteigerte Produktivität ausgleichen oder die Gewinne reduzieren. Die genauen Effekte auf den Arbeitsmarkt und die Attraktivität des Standorts hängen von den Details der Branche oder des Unternehmens ab.
Geringer Beitrag des Generationenkapitals
Der Beitrag des Generationenkapitals ist – wenn überhaupt – gering. Berechnungen zufolge würde der Beitragssatz für Beschäftigte und Arbeitgeber nur um jeweils 0,2 Prozentpunkte geringer ausfallen. Der Effekt hängt davon ab, ob der Plan aufgeht und hohe Renditen auf dem Kapitalmarkt erzielt werden können.
Fazit
Das Generationenkapital unterscheidet sich deutlich von häufig diskutierten Formen der Kapitaldeckung, insbesondere von der individualisierten Altersvorsorge. Die Grundidee ist, die anstehenden Beitragssatzsteigerungen geringer zu halten. Klar ist jedoch: Dieser Finanzierungsweg zaubert kein Geld, sondern verteilt die Finanzierungslast nur anders. Ob es notwendig ist, die Arbeitskosten zu senken, ist unklar, und ob der Plan wirklich aufgeht, bleibt abzuwarten.
Weitere Fragen betreffen die Governance. Der KENFO (Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung), der mit der Umsetzung betraut werden soll, ist zwar demokratisch kontrolliert, erscheint aber im Vergleich zur Deutschen Rentenversicherung als weniger transparent. Es wäre wichtig, angemessene Mitbestimmungswege zu finden und ein transparenteres Berichtswesen einzuführen. Auch die Einhaltung von ESG-Kriterien bei der Anlage und die Verteilungswirkungen von Kapitalanlagen sollten berücksichtigt werden.
Quelle: http://www.wsi.de
Thema: Informationen | 28.08.2024 |