Paralympics 2024: Mehr als nur Sport
Am 28. August 2024 starten die Paralympics, und für viele Zuschauer beginnt damit auch das Lernen über unbekannte Diagnosen, Unfallereignisse und Klassifizierungen. Kolumnistin Katja Lüke beleuchtet kritisch den Umgang der Presse mit behinderten Sportler*innen und schlägt Alternativen vor.
Wer noch nie von der Berichterstattung über die Paralympics gehört hat, könnte sich fragen, ob es sich um einen medizinischen Kongress, eine Rehaveranstaltung oder ein Treffen barrierefreier Reiseanbieter handelt. Doch die Paralympics sind das zweitgrößte Sportereignis der Welt, nach den Olympischen Spielen. Es geht um sportliche Leistungen, Kämpfe, Triumphe und auch knappe Niederlagen und Siege, die mitfiebern lassen.
Ein wichtiges Thema ist das Wissen über Klassifizierungen. Warum tritt der kleinwüchsige Athlet nicht gegen einarmige Speerwerfer an? Andere, weniger auffällige Unterschiede mit großen Auswirkungen, wie z.B. unter Rollstuhlfahrer*innen, sollten erklärt werden können.
Immer seltener wird gelesen, dass Rollstuhlfahrende an ihren Rollstuhl “gefesselt” sind. Das stetige Hinweisen auf das Losbinden hat geholfen. Doch in den Augen vieler Berichterstattender leiden Menschen mit Behinderungen immer noch an eben dieser. Tischtennisspieler Valentin Baus korrigierte nach seinem Paralympics-Sieg in Tokio in einem Interview: „Ich leide nicht an der Glasknochenkrankheit. Ich habe sie.“
Als Mensch mit eigener Behinderung wünscht sich Katja Lüke, dass die Teilnehmenden der Paralympics vor allem als herausragende Sportlerinnen gesehen werden. Nicht als Superhelden, die „trotz“ ihrer Behinderung und mit ihrem „Leid“… Ein Tipp an Journalistinnen: Wenn über Leid berichtet werden soll, fragen Sie danach: Woran leiden behinderte Sportler*innen wirklich? Das größte Leid als Rollstuhlsportlerin ist die mangelnde Barrierefreiheit von Sportstätten! Das zweitgrößte Leid sind die teuren Hilfsmittel, deren Kosten selten übernommen werden. Ab hier wird die Leidensliste individueller: fehlende Assistenz, zu wenig inklusive Angebote, schlechter ÖPNV, keine Sponsoren wegen zu wenig Aufmerksamkeit in den Medien…
Und doch: Neben dem Menschen mit Behinderung, der respektvoll behandelt werden möchte, beeindruckt Katja Lüke Diagnosen auch. Sie ist beeindruckt von der deutschen Torfrau Ann-Katrin Berger, die sich nach zweimaligem Schilddrüsenkrebs in den Kader qualifiziert hat und großartig spielt. Davon hörte sie aber erst nach dem Spiel gegen Kanada.
So entsteht ein Dilemma. Katja Lüke ist beeindruckt von den Leistungen der Sportler*innen neben ihrem Sport: Erkrankungen, Elternschaft, Firmengründungen, Studienabschlüsse. Sie liest gern, wie Menschen mit ihrem Leben umgehen und die enorme Energie, die dahinter steckt. Dies allerdings nicht während eines Wettkampfs, sondern danach.
Bei den olympischen und paralympischen Spielen geht es um Sport und Leistung, nicht nur bei Sportler*innen mit Behinderungen, aber unbedingt auch bei ihnen.
Was wird man denn noch fragen und sagen dürfen? Fragt doch einmal Para-Sportler*innen, was sie behindert hat, im wahrsten Sinne des Wortes. Wer und was unterstützt sie? Wie und wo trainieren sie? Gibt es Sponsoren? Wie haben sie zum Sport gefunden?
Und wenn es sein muss: Fragt die Para-Sportlerinnen, wer von ihnen die Zusammenlegung olympischer und paralympischer Spiele möchte. Aus der Wahrnehmung von Katja Lüke kommt dieser Wunsch oder die immer wiederkehrende Frage mehrheitlich nicht von den Sportlerinnen selbst.
Quelle: http://www.dieneuenorm.de
Thema: Informationen | 26.08.2024 |