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26.06.2025

Strukturelle Hürden im Para Sport: Herausforderungen für inklusive Sportteilhabe in Deutschland

Die Paralympischen Spiele in Paris 2024 verzeichneten mit rund 2,4 Millionen verkauften Eintrittskarten und über 60 Stunden Live-Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine außergewöhnlich hohe öffentliche Wahrnehmung in Deutschland. Damit waren sie die erfolgreichsten Sommer-Paralympics seit London 2012. Dieser internationale Erfolg steht allerdings in starkem Kontrast zu den Bedingungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen im deutschen Alltagssport.

Im Interview mit der Deutschen Welle wiesen die Para-Athletin Flora Kliem und der Sportwissenschaftler Dr. Leopold Rupp auf strukturelle Defizite hin. Beide sprachen sich für umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der sportlichen Teilhabe aus.

Laut Kliem vermittelt die Außendarstellung der Paralympics ein Bild von Fortschritt und Chancengleichheit, das mit der Realität vieler Betroffener nicht übereinstimmt. Der Zugang zu Sportangeboten sei weiterhin durch fehlende Barrierefreiheit vieler Sportstätten eingeschränkt. Inklusive Angebote seien regional begrenzt und häufig nur durch individuelle Initiativen möglich. Die eigene Trainingsstätte, so Kliem im DW-Interview, sei nur deshalb barrierefrei, weil sie selbst dort trainiere. Ein Zustand, der nicht auf andere Orte übertragbar sei.

Auch Dr. Rupp kritisierte im Gespräch mit der Deutschen Welle die unzureichende Infrastruktur und forderte gezielte Verbesserungen. Zusätzlich verwies er auf den Rückgang qualifizierter Übungsleiterinnen und -leiter. Laut Daten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sank die Zahl der vergebenen Lizenzen zwischen 2020 und 2024 um etwa 15 Prozent. Gerade im Para Sport, der in hohem Maße auf ehrenamtliches Engagement angewiesen ist, wirkt sich dieser Rückgang unmittelbar auf die Nachwuchsförderung aus.

Nach Angaben des Teilhabeberichts der Bundesregierung treiben etwa 55 Prozent der Menschen mit Behinderung keinen Sport. Bei Kindern und Jugendlichen ohne Behinderung liegt der Anteil bei rund 27 Prozent. Ursachen sind unter anderem mangelnde Zugänglichkeit, unzureichend ausgebildetes Personal sowie fehlende inklusive Strukturen.

Ein besonderes Problem sehen Kliem und Rupp im schulischen Bereich. Kinder mit Behinderung würden dort häufig nicht aktiv am Sportunterricht beteiligt, sondern müssten lediglich zusehen oder unterstützende Tätigkeiten übernehmen. Aus Sicht beider Gesprächspartner sei dies weder pädagogisch sinnvoll noch fördere es die soziale Einbindung. Rupp betonte, dass Lehrerinnen und Lehrer gezielt dazu befähigt werden müssten, alle Kinder – unabhängig von körperlichen Voraussetzungen – gleichberechtigt in den Unterricht einzubeziehen. Auch Kliem sprach sich für inklusivere Unterrichtskonzepte aus und nannte Beispiele wie Blindenfußball oder Sitzvolleyball als praktikable Methoden für inklusive Sporterfahrung.

Die Defizite im Breitensport wirken sich laut Rupp bereits auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit aus. Während Deutschland bei den Paralympischen Spielen 2024 insgesamt 49 Medaillen gewann, waren es 2021 in Tokio 43 und 2016 in Rio de Janeiro 57. China, Großbritannien und die USA lagen mit Medaillenzahlen von 220, 124 bzw. 105 deutlich vor Deutschland. Aus Sicht von Rupp sei eine langfristig angelegte Sportförderung notwendig, die die strukturellen Probleme an der Basis adressiert. Nur mit kontinuierlichen Investitionen und gezielter Jugendarbeit könne der deutsche Para Sport im internationalen Vergleich wieder konkurrenzfähig werden.

Thema: Informationen | 26.06.2025 |

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