Beratungstelefon: 0521 - 442998

30.05.2025

Unstatistik des Monats: Die irreführende Debatte über deutsche Arbeitszeiten

In der Mai-Ausgabe der „Unstatistik des Monats“ geht es um die oft verzerrt dargestellten Arbeitszeiten in Deutschland. Bundeskanzler Friedrich Merz fordert eine „gewaltige Kraftanstrengung“ der Beschäftigten und beruft sich auf eine Statistik des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die zeigt, dass deutsche Arbeitnehmer im internationalen Vergleich weniger Stunden leisten. Doch die Quelle dieser Daten, eine OECD-Statistik, enthält einen klaren Warnhinweis: Länder-Vergleiche sollten mit Vorsicht betrachtet werden, da Unterschiede in Erhebungsmethoden und Berechnungsgrundlagen das Bild verfälschen.

Bereits in der Unstatistik vom August 2023 wurde auf dieses Problem hingewiesen. Dennoch wird die Statistik nun erneut als Argument für die Notwendigkeit eines höheren Arbeitseinsatzes genutzt – ohne Berücksichtigung relevanter wirtschaftlicher Faktoren. Eine isolierte Betrachtung der Arbeitszeit sagt wenig über die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. Viel entscheidender ist die Produktivität, also das Verhältnis zwischen geleisteten Stunden und erzeugter Wertschöpfung. Deutschland weist hier ein überdurchschnittliches Niveau auf. Das bedeutet: Deutsche Arbeitsstunden sind besonders effizient genutzt.

Die selektive Darstellung der Arbeitszeiten verschleiert strukturelle Probleme. Die Erwerbsbeteiligung ist gestiegen, doch viele neue Arbeitsverhältnisse sind Teilzeitjobs, insbesondere bei Frauen, Studierenden und älteren Arbeitnehmern. Überstunden nehmen nicht grundsätzlich ab – sie werden lediglich flexibler über Arbeitszeitkonten verteilt. Auch die Statistik zum Krankenstand ist durch neue digitale Erfassungsmethoden beeinflusst und verzerrt das Bild.

Jenseits der Arbeitszeit-Debatte gibt es langfristige Herausforderungen, die seit Jahren bekannt sind, aber nur unzureichend angegangen werden: Der demografische Wandel wird den Arbeitsmarkt erheblich belasten, insbesondere wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht. Auch die sogenannte „Minijob-Falle“ führt dazu, dass viele Frauen langfristig aus dem regulären Arbeitsmarkt herausfallen. Die Frage, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit stärkt, kann nicht mit einfachen Appellen zum „Mehr Arbeiten“ beantwortet werden. Vielmehr braucht es gezielte Reformen, die strukturelle Hürden abbauen und die vorhandene Arbeitskraft effizienter nutzen.

Die eigentliche „gewaltige Kraftanstrengung“ besteht also darin, die wirtschaftlichen Herausforderungen sachlich zu analysieren und mit fundierten Maßnahmen anzugehen – anstatt irreführende Statistiken als politische Argumente zu nutzen.

Thema: Informationen | 30.05.2025 |

↑   Zum Seitenanfang   ↑

Termine 2025