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21.07.2025

Unstatistik des Monats: Warum das Mammographie-Screening enttäuscht

Eine aktuelle Studie der Universität Münster zur Wirksamkeit des Mammographie-Screenings wurde in zahlreichen deutschen Medien aufgegriffen. In der Berichterstattung wird von einem Rückgang der Brustkrebssterblichkeit um 20 bis 30 Prozent bei Teilnehmerinnen des Programms gesprochen. Diese Zahlen werden unter anderem vom Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesamt für Strahlenschutz und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verbreitet. Auf Basis dieser Kommunikation entsteht der Eindruck eines klaren medizinischen Nutzens. Eine detaillierte Betrachtung der wissenschaftlichen Evidenz zeigt jedoch ein differenziertes Bild.

Zentrale Erkenntnisse aus acht großen randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt rund 500.000 Frauen belegen keinen Einfluss des Screenings auf die Lebenserwartung. Die Gesamtsterblichkeit an Krebs unterscheidet sich ebenfalls nicht zwischen den Gruppen mit und ohne Screening. Hinsichtlich der Brustkrebssterblichkeit zeigt sich ein minimaler Unterschied: In einem Zeitraum von etwa elf Jahren sterben von jeweils 1.000 Frauen fünf ohne Screening, vier mit Screening. Gleichzeitig ist in der Screening-Gruppe eine zusätzliche Krebstodesursache außerhalb des Brustkrebses zu verzeichnen, wodurch sich in der Summe kein messbarer Vorteil ergibt.

Neben dem geringen Nutzen bestehen relevante Risiken: Etwa zehn Prozent der untersuchten Frauen erhalten ein falsch-positives Ergebnis, was zu psychischer Belastung und medizinisch nicht notwendiger Diagnostik führt. Darüber hinaus kann es zu sogenannten Überdiagnosen kommen. Dabei wird Brustkrebs diagnostiziert, obwohl die identifizierten Zellveränderungen klinisch unbedeutend sind und keine Beschwerden verursacht hätten. Trotzdem werden Patientinnen in diesen Fällen teilweise invasiven Therapien oder operativen Eingriffen unterzogen.

Die Angabe einer Reduktion der Brustkrebssterblichkeit um 20 bis 30 Prozent basiert auf relativen Risiken. Absolut entspricht dies einem Unterschied von einer Patientin pro 1.000 Frauen über elf Jahre. Diese Darstellung relativiert den scheinbaren Behandlungserfolg und widerspricht den Empfehlungen für evidenzbasierte Gesundheitskommunikation, bei der die Angabe absoluter Zahlen zur besseren Einordnung bevorzugt wird.

Frühere Informationsbroschüren, etwa der Deutschen Krebshilfe, haben relative Zahlen als Wirkungsnachweis angeführt. Nach Kooperation mit Fachleuten wie Gerd Gigerenzer wurde die Darstellung geändert. Seitdem enthalten die Materialien verständlichere absolute Kennzahlen und Hinweise auf mögliche Nachteile des Screenings. Allerdings zeigen auch aktuelle Publikationen, wie etwa die Broschüre des Gemeinsamen Bundesausschusses, eine Tendenz zur Überbetonung des Nutzens. Dort wird der Effekt auf einen Zeitraum von 25 Jahren extrapoliert, obwohl die dafür notwendige wissenschaftliche Grundlage fehlt. Eine Langzeitstudie mit 100.000 Frauen über exakt diesen Zeitraum konnte keinen Rückgang der Brustkrebssterblichkeit feststellen.

Politische Akteure wie der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach haben sich mittlerweile kritisch zum Mammographie-Screening geäußert. Laut aktuellen Einschätzungen überwiegen tendenziell die Argumente gegen das Programm. In der Schweiz wurde bereits eine Kurskorrektur vorgenommen. In Deutschland investieren die gesetzlichen Krankenkassen weiterhin rund eine Milliarde Euro jährlich in das Screening, obwohl keine gesicherte lebensverlängernde Wirkung nachgewiesen werden konnte.

Medien und Institutionen wie das Bundesgesundheitsministerium betonen die individuelle Entscheidungsfreiheit der Patientinnen. Voraussetzung dafür ist jedoch eine transparente und vollständige Information über Nutzen und Risiko. Eine fundierte Entscheidung im Gesundheitsbereich setzt voraus, dass die kommunizierten Daten sachlich korrekt, wissenschaftlich nachvollziehbar und vollständig sind.

Thema: Informationen | 21.07.2025 |

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