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31.10.2025

Wenn Schmerzmittel selbst zur Kopfschmerzursache werden

Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden überhaupt. Viele Betroffene greifen im Akutfall schnell zu frei verkäuflichen Schmerzmitteln, um die Beschwerden zu lindern. Doch wer zu häufig Tabletten nimmt, riskiert paradoxerweise, dass die Medikamente selbst neue Kopfschmerzen auslösen. Dieses Phänomen ist als Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜK) bekannt – ein oft unterschätztes Problem, das leicht in einen schmerzhaften Teufelskreis führen kann.

Dr. André Breddemann, Arzneimittelexperte bei der BARMER, erklärt: „Ein Medikamentenübergebrauchskopfschmerz ist keine gewöhnliche Nebenwirkung, sondern eine eigenständige Form des Kopfschmerzes.“ Er entsteht, wenn Schmerzmittel oder bestimmte Migränemittel über längere Zeit zu häufig eingenommen werden. Der wiederholte Einfluss der Medikamente verändert die Schmerzverarbeitung im Gehirn: Nervenzellen reagieren empfindlicher, die Schmerzschwelle sinkt und die Kopfschmerzen treten immer häufiger auf – bis die Medikamente ihre Wirkung verlieren und Betroffene noch öfter zu ihnen greifen.

Ob von einem Übergebrauch gesprochen werden kann, hängt von der Art der Medikamente ab. Einfache Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen, Naproxen oder Acetylsalicylsäure gelten als problematisch, wenn sie an mehr als 15 Tagen im Monat über mindestens drei Monate hinweg eingenommen werden. Triptane oder Kombinationspräparate, die etwa Koffein oder Codein enthalten, bergen bereits bei mehr als zehn Einnahmetagen pro Monat ein deutlich erhöhtes Risiko für MÜK.

Besonders gefährdet sind Menschen, die ohnehin regelmäßig unter Kopfschmerzen leiden – vor allem Migräne- und Spannungskopfschmerzpatientinnen und -patienten mit mehr als zehn Kopfschmerztagen pro Monat. „Häufige Attacken und wiederholte Medikamenteneinnahmen begünstigen den Übergang in den Übergebrauch“, so Breddemann. Frauen sind statistisch häufiger betroffen. Weitere Risikofaktoren sind Stress, Schlafmangel, Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen sowie psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.

Typisch für einen Medikamentenübergebrauchskopfschmerz ist ein täglicher oder fast täglicher Schmerz, der sich über Wochen oder Monate hinzieht. Er kann dumpf, drückend oder pulsierend sein und betrifft häufig den gesamten Kopf. Viele Betroffene berichten, dass ihre üblichen Schmerzmittel kaum noch helfen oder die Schmerzen rasch zurückkehren. Hinzu kommen häufig Begleitsymptome wie Übelkeit, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit oder Schlafstörungen.

Die Diagnose erfolgt in der Regel in der hausärztlichen oder neurologischen Praxis. Grundlage ist ein ausführliches Gespräch über Schmerzverlauf und Medikamentengebrauch. Hilfreich kann ein Kopfschmerzkalender sein, in dem Betroffene festhalten, wann und wie oft Kopfschmerzen auftreten und welche Medikamente sie einnehmen. In manchen Fällen werden ergänzend neurologische Untersuchungen oder bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie durchgeführt, um andere Ursachen auszuschließen.

Der wichtigste Schritt in der Behandlung besteht darin, den übermäßigen Medikamentengebrauch zu beenden. „Nur so kann sich das Nervensystem erholen“, betont Breddemann. Je nach Situation erfolgt das Absetzen entweder abrupt („kalter Entzug“) oder schrittweise. Leichtere Fälle lassen sich meist ambulant behandeln, während bei starkem Übergebrauch ein stationärer Aufenthalt in einer Schmerzklinik sinnvoll sein kann. Während der Entzugsphase können vorübergehend stärkere Schmerzen auftreten, die sich jedoch meist nach einigen Wochen deutlich bessern.

Zur Begleitbehandlung gehören unterstützende Maßnahmen wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Entspannungstechniken oder leichte körperliche Aktivität. Auch Medikamente zur Linderung der Entzugsbeschwerden können kurzfristig eingesetzt werden.

Langfristig ist die Vorbeugung entscheidend, um Rückfälle zu vermeiden. Schmerzmittel sollten nur bei Bedarf und in möglichst niedriger Dosierung eingenommen werden – nicht häufiger als zehn Tage im Monat, bei Triptanen maximal an acht Tagen. Ein Kopfschmerzkalender hilft, den Überblick zu behalten. Nicht-medikamentöse Strategien wie progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga, Atemübungen, regelmäßiger Schlaf und Bewegung tragen ebenfalls dazu bei, Kopfschmerzattacken vorzubeugen. Bei häufigen Migräneanfällen kann eine ärztlich verordnete medikamentöse Prophylaxe sinnvoll sein. Auch psychologische Unterstützung, etwa durch Verhaltenstherapie, hilft vielen, besser mit Stress und Schmerzen umzugehen.

Wer bemerkt, dass Kopfschmerzen mehr als zehn bis 15 Tage im Monat auftreten oder Schmerzmittel ihre Wirkung verlieren, sollte ärztliche Hilfe suchen. „Eine frühzeitige Beratung kann verhindern, dass sich ein Medikamentenübergebrauchskopfschmerz verfestigt“, rät Breddemann. Zwar sei MÜK eine ernstzunehmende Folge übermäßigen Schmerzmittelkonsums, doch mit der richtigen Behandlung und etwas Geduld lasse sich der Teufelskreis durchbrechen. So kann der Weg zu einem Leben mit weniger oder sogar ganz ohne Kopfschmerzen wieder offenstehen.

Thema: Informationen Gesundheit | 31.10.2025 |

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