Gesundheit
Aktuell hat das Kabinett vier lang erwartete Gesundheitsprojekte verabschiedet. Trotz der parlamentarischen Sommerpause wurden die Notfallreform, das Gesetz zur Gründung eines Präventionsinstituts in der Medizin, das Gesetz zur Umstrukturierung der Digitalagentur Gematik und das Gesetz zur Lebendorganspende diskutiert und verabschiedet. Die erwartete Apothekenreform stand jedoch nicht auf der Tagesordnung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte, dass die “Rechtsförmlichkeitsprüfung” noch nicht abgeschlossen sei. Die Änderungen für Apotheken sollen bei der nächsten Kabinettssitzung am 21. August diskutiert werden.
Die Digitalisierung hat das Potenzial, das Gesundheitswesen zu revolutionieren. Laut einer Umfrage des Verbandes Bitkom begrüßen 89 Prozent der Menschen in Deutschland diese Entwicklung. Sie sehen in der Digitalisierung eine Chance, das Gesundheitswesen effizienter und patientenorientierter zu gestalten. Allerdings wünschen sich 71 Prozent der Befragten, dass die Digitalisierung schneller voranschreitet.
Trotz der allgemeinen Zustimmung zur Digitalisierung fühlt sich fast die Hälfte der Befragten von den technologischen Veränderungen überfordert. Hier besteht die Notwendigkeit, die Bevölkerung besser aufzuklären und zu unterstützen. Es ist wichtig, die Vorteile der Digitalisierung hervorzuheben, das hohe Datenschutzniveau zu betonen und digitale Kompetenzen zu fördern.
Die Bundesregierung plant für das Wahljahr 2025 keine höheren Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für versicherungsfremde Leistungen. Dies geht aus dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 hervor, der heute von “Table.Media” veröffentlicht wurde und morgen ins Kabinett kommen soll.
Dem Entwurf zufolge soll der Etat von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) leicht sinken – um knapp 270 Millionen auf 16,4 Milliarden Euro. Der größte Ausgabenposten bleibt der Gesundheitsfonds mit 14,5 Milliarden Euro, das sind 150 Millionen Euro weniger als 2024.
Die Kliniken in Nordrhein-Westfalen (NRW) stehen vor bedeutenden Veränderungen. Wie Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) heute erklärte, soll in Zukunft nur noch etwa jedes zweite Krankenhaus künstliche Knie- oder Hüftgelenke einsetzen dürfen. Zudem sollen bestimmte Krebsoperationen nur noch von einem Drittel aller Kliniken durchgeführt werden.
Laumann betonte, dass diese Spezialisierung die medizinische Qualität verbessern und den Patienten nutzen würde, ohne dass die Versorgungssicherheit leidet. Die Krankenhausreform in NRW, die 2019 gestartet wurde und sich nun in der Endphase befindet, gilt als Vorbild für den von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplanten bundesweiten Umbau der Kliniklandschaft. Ab 2025 soll die neue Planung anhand von Leistungsgruppen funktionieren.
Ein kürzlich vorgestelltes Gutachten wirft Deutschland vor, bei der Notfallversorgung seiner Bürgerinnen und Bürger nur unzureichend nachzukommen. Die Ausgestaltung der Notfallrettung durch die Länder, die indirekt über die gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird, erreicht laut dem Gutachten “flächendeckend nicht das pflichtgebotene Ziel eines effektiven und gleichberechtigten Schutzes von Leben und Gesundheit”.
Das Gutachten wurde von dem ehemaligen Verfassungsrichter Udo Di Fabio für die Björn Steiger Stiftung erstellt und heute in Berlin vorgestellt. Pierre-Enric Steiger, Präsident der Stiftung, kritisierte, dass die Strukturen und Vorgaben in diesem Bereich sich inzwischen auf dem Niveau von Entwicklungsländern bewegen.
Es ist selten, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) so viel Kritik einstecken muss wie für sein neuestes Projekt, das “Gesundes-Herz-Gesetz” (GHG). Bei der heutigen Fachanhörung im Bundesgesundheitsministerium gab es einen regelrechten Proteststurm.
Die Krankenkassen bezeichneten das Gesetz als “schlechten Scherz”. Ärzte forderten einen sofortigen Stopp des Gesetzes und Experten kritisierten die fehlende wissenschaftliche Evidenz. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, urteilte, der Gesetzentwurf sei “komplett missraten”. Ihrer Meinung nach sollte die Ampel-Koalition das Gesetz schnell zurückziehen. Anstatt auf Prävention zu setzen, konzentriere sich das GHG auf “Pillen” und “Staatsmedizin”. Die Pläne sehen vor, die Präventionsangebote der Kassen zu kürzen und das Geld in Medikamente wie Statine und Massen-Screenings zu investieren.
Die soziale Pflegeversicherung (SPV) in Deutschland steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Mit einer alternden Bevölkerung, einem Mangel an Fachkräften und steigenden Kosten ist die Situation kritisch. Es ist an der Zeit, die SPV auf ein neues Fundament zu stellen.
Die aktuelle Lage
Die SPV, die 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt wurde, steht fast 30 Jahre später vor dem Kollaps. Mehr als 5,2 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit pflegebedürftig, und diese Zahl wird voraussichtlich auf 7,7 Millionen im Jahr 2070 ansteigen. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte, um die Bedürftigen zu versorgen, und die Kasse der SPV klafft ein riesiges Loch in Milliardenhöhe. Nach Berechnungen des BKK Dachverbandes reichen die Einnahmen aus den Versichertenbeiträgen gerade noch bis zum Jahresende 2024, um die Ausgaben für pflegerische Leistungen zu decken.
In einer kürzlich veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme haben Expert:innen des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), des Vereins demokratischer Ärztinnen (vdää) und des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) ihre Bedenken zur aktuellen Apothekenreform zum Ausdruck gebracht. Sie argumentieren, dass die Reform weder die dringenden Probleme in der Medikamentensicherheit adressiert noch die Möglichkeit für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung nutzt.
In einem kürzlich erschienenen Meinungsartikel von Ottmar Miles-Paul, Redakteur bei kobinet, wurde die Frage aufgeworfen: Wo bleibt der Referentenentwurf für das Behindertengleichstellungsgesetz? Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat am 5. Juli 2024 einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 vorgelegt. Dies sollte eigentlich den Weg für eine Reihe von Reformen ebnen, die im Koalitionsvertrag festgelegt sind und noch umgesetzt werden müssen.
Menschen mit Behinderungen sind es gewohnt, lange zu warten. Aber irgendwann reißt auch ihnen der Geduldsfaden. Seit 1990, als das US-amerikanische Antidiskriminierungsgesetz für behinderte Menschen verabschiedet wurde, fragen sich viele: Warum können wir nicht auch private Anbieter von Dienstleistungen und Gütern in Deutschland zur Barrierefreiheit verpflichten?
Am 26. Juni 2024 organisierte das Bundesgesundheitsministerium einen interministeriellen Runden Tisch zum Thema „Familien mit schwerst-mehrfach behinderten Kindern“. Die Veranstaltung, an der auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beteiligt waren, zog hochrangige Vertreter*innen der Ministerien, den Bundesbehindertenbeauftragten Jürgen Dusel und Abgeordnete des Bundestages an.
Die breit aufgestellte Verbändelandschaft war ebenfalls vertreten. Das Hauptziel der Veranstaltung war es, die Bedürfnisse von Familien mit schwerst-mehrfach behinderten Kindern zu diskutieren und Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation zu identifizieren.
Ein neues Gesetz, das die Unterstützung für Schwangere ausbaut und die vertrauliche Geburt regelt, bietet nun Frauen, die ihre Schwangerschaft aufgrund einer besonderen Notlage nicht offenlegen möchten, die Möglichkeit, ihr Kind anonym und medizinisch sicher zur Welt zu bringen. Dies kann entweder in einer Klinik oder bei einer Hebamme erfolgen.
Während der Schwangerschaft und danach erhalten die betroffenen Frauen Beratung, Betreuung und Begleitung von den bundesweit rund 1600 Schwangerschaftsberatungsstellen.
Extreme Temperaturen können eine Vielzahl von Problemen verursachen, insbesondere für diejenigen, die regelmäßig Medikamente einnehmen. Dieser Leitfaden beleuchtet die typischen Veränderungen in der Wirksamkeit und den Nebenwirkungen von Medikamenten bei Hitze und bietet praktische Lösungen.
Nach einem heißen Sommer 2023 zeichnet sich ab, dass der Sommer dieses Jahres ähnlich hohe Temperaturen mit sich bringen wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie sich hohe Temperaturen auf die Wirkung von Medikamenten auswirken können. „Die Wirksamkeit von Medikamenten kann sich bei stark steigenden Temperaturen verändern. Dies betrifft auch Nebenwirkungen und die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Diese Veränderungen sind oft nicht sichtbar“, erklärt Heidi Günther, Apothekerin bei der BARMER. Sie rät dringend dazu, die Hinweise der Hersteller im Beipackzettel zu beachten und die ärztlichen Empfehlungen zur Einnahme zu befolgen. Besonders betroffen sind Kleinkinder und Senioren sowie Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenschwäche, Diabetes mellitus oder Lungenerkrankungen. Auch Patienten mit neurologischen Erkrankungen, Demenz oder Multipler Sklerose könnten feststellen, dass ihre Medikamente bei steigenden Temperaturen nicht wie gewohnt wirken.
Mit ihrem am 19. September 2023 veröffentlichten Positionspapier machen 20 Verbände auf Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung der intensivpflegerischen Versorgung und medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung aufmerksam und fordern den Gesetzgeber zu Nachbesserungen auf.
Das sehr umstrittene Gesetz zur Stärkung der intensivpflegerischen Versorgung und medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung ist bereits 2020 in Kraft getreten. Ab dem 31. Oktober 2023 entfaltet es jedoch erst seine volle Wirkung: Ab diesem Zeitpunkt entfällt der Anspruch auf häusliche Krankenpflege für die betroffenen Versicherten endgültig und sie haben dann nur noch einen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege.
In einem kürzlich veröffentlichten Bericht wurde ein wichtiger Schritt zur Unterstützung werdender und frischgebackener Eltern in Deutschland hervorgehoben. Die Gesundheitsministerkonferenz aus Lübeck-Travemünde hat einstimmig einen Finanzierungsvorschlag für Lotsendienste an Geburts- und Kinderkliniken verabschiedet. Diese Dienste sind ein unverzichtbares präventives Angebot, das gesetzlich verankert und sicher finanziert werden muss.
Die Präsidentin von Caritas, Eva Maria Welskop-Deffaa, begrüßte diesen Schritt nachdrücklich. Sie betonte, dass eine Regelfinanzierung den frisch gebackenen Eltern Halt und Sicherheit gibt. Sie bietet den Kliniken, die bereits Lotsen beschäftigen, sowie denen, die dies planen, Planungssicherheit und die Möglichkeit, werdenden Eltern und ihren Babys einen verlässlichen Start ins Leben zu ermöglichen.
In einer kürzlich gehaltenen Rede auf dem Hauptstadtkongress 2024 stellte Vera Lux, die neu gewählte Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, eine provokative Frage: “Brauchen wir für die Zukunft völlig neue Pflegekonzepte und integrierte Versorgungsmodelle?”
Lux betonte, dass wir vor gewaltigen Herausforderungen stehen, die einen Umbruch in vielen Bereichen erfordern. Sie sprach über den demografischen Wandel, den Klimawandel, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die wirtschaftliche Lage und das Gesundheitswesen.
Die Unstatistik des Monats hebt den Entwurf des “Gesundes-Herz-Gesetzes (GHG)” des Bundesgesundheitsministeriums hervor. Das GHG behauptet, dass bis zu 70% der Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch veränderbare Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Bewegungsmangel verursacht werden. Wir haben jedoch bereits dargelegt, dass diese Zusammenhänge nicht immer kausal sind.
Der Entwurf schlägt neue Beratungsangebote und präventive Maßnahmen vor, deren Nutzen gegenüber den Risiken sorgfältig abgewogen werden muss. Die Wirkung von Statinen auf die Verringerung von Herz-Kreislauf-Ereignissen ist zwar belegt, doch ihr Einfluss auf die Gesamtmortalität und mögliche Schäden sind weniger klar.
Die scheidende Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe hat dazu erklärt: „Bei allen Hitzeschutzmaßnahmen und -plänen muss die Profession Pflege von Anfang an eingebunden werden. Professionell Pflegende sind in allen Settings – vom Krankenhaus über die stationäre und insbesondere die ambulante Langzeitpflege – am nächsten an den pflegebedürftigen Menschen dran und sehen, was getan werden muss. Denn es sind die Menschen mit Pflegebedarf, die besonders unter Hitzeperioden leiden und sich am wenigsten davor schützen können. Es wird vor allem wichtig, in den Kommunen die vulnerablen Gruppen und Menschen zu kennen und seitens der Pflege zugehende Maßnahmen anzubieten ¬– dafür brauchen wir flächendeckend Community Health Nurses.
Mehr Beratung und Prävention statt Fristenverlängerung
Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, äußert sich zum Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zum §218:
Jeder Mensch hat das Recht auf Schlaf – unabhängig von Geschlecht, Alter, sozialer Stellung, Bildung und Beruf. Das forderte heute die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) im Vorfeld ihres Aktionstages „Erholsamer Schlaf“ am 21. Juni. Das Recht auf Schlaf sei genauso wichtig wie das Recht auf Unversehrtheit und wie auch anderer Menschenrechte, betonte DGSM-Vorstandsreferent Dieter Riemann. Schlaf sei ganz zentral für Wohlbefinden und Lebensqualität. Laut DGSM sollten verschiedene gesundheitspsychologische Präventivmaßnahmen bereits ab dem Säuglingsalter angeboten werden. Eltern behinderter Kinder wissen oft nicht wovon da die Rede ist. Hilfsangebote sind rar bis nicht vorhanden.
Zum Gesetzentwurf erklärte Jürgen Hohnl, der Geschäftsführer des Verbands der Innungskrankenkassen:
„Natürlich ist es wünschenswert, Herz- und Kreislauferkrankungen präventiv zu reduzieren. Aber die Vorschläge, die in dem aktuell bekannt gewordenen Referentenentwurf zum ‚Gesundes-Herz-Gesetz‘ (GHG) aus dem Bundesgesundheitsministerium gemacht werden, gehen in die falsche Richtung! Die neue Maßgabe kann nicht sein, Kinder und Jugendliche durchgängig zu medikamentieren. Schon gar nicht mit Statinen, deren Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht abgeschlossen ist. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Jedes Medikament hat Nebenwirkungen. Auch Statine sind keine harmlosen Zuckerkügelchen!
Zudem ist der Weg ein falscher. Wir diskutieren immer darüber, dass Untersuchungen und Therapien zielgenau sein sollen. Aber nun soll flächendeckend gescreent werden, während gleichzeitig die Präventionsmaßnahmen der Krankenkassen mit dem Fokus auf Ernährung, Bewegung und Sport zur Disposition gestellt werden. Wir reden immer über Health in all policies: Wo bleiben hier zum Beispiel die Schulen und wo bleiben die verhältnispräventiven Maßnahmen?
Und schließlich: Während man im BMG einerseits an einem Gesetzesentwurf zum Bürokratieabbau arbeitet und die fehlende Digitalisierung im Gesundheitswesen beklagt, wird andererseits im GHG die Massenaussendung von Vouchern per Post angekündigt. Da fragt man sich ja schon, ob das alles Hand und Fuß hat!
Ungeachtet dessen, dass der postalische Versand von Gutscheinen einen hohen finanziellen Aufwand bedeutet.“
Obwohl wir leider nicht wissen, ob und in welchem Umfang Menschen mit Behinderungen, speziell mit Down-Syndrom, in Anstalten und Wohngruppen in Präventivmaßnahmen für ihre Gesundheit überhaupt einbezogen werden, schließen wir uns der Kritik vollumfänglich an.
Anderer Meinung? Schreiben Sie uns an .(Javascript muss aktiviert sein, um diese Email-Adresse zu sehen)
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